Blue Velvet: David Lynch’s seltsame Welt des Guten und Bösen

See that clock on the wall? In five minutes you are not going to believe what I’ve told you.“

-Jeffrey Beaumont in Blue Velvet

David Lynch’s Film Blue Velvet ist eine vielschichtige, in Teilen surreale Abhandlung menschlicher Konflikte. Die klassische Dichotomie Gut gegen Böse wird ebenso personifiziert und symbolisch aufbereitet wie das alles überragende Thema Traum gegen Realität. Es zeigen sich schon Mitte der 1980er Jahre Stilmittel und Interessen Lynchs, wie sie später noch in Twin Peaks auftauchen sollen. Lynch demontiert durch geschickte und teils ironisch plakative Mittel die perfekte Welt der amerikanischen Vorstadt und lässt den Zuschauer durch Kyle Maclachlans Augen hinter die Fassade blicken.

Die Repräsentation klarer moralischer Aufteilungen in Gut und Böse sind typisch für David Lynchs Werke. So ist es nicht ungewöhnlich und in vielen seiner Werke schon auffallend, dass diese Kategorien durch Charaktere im Film personifiziert werden. Ob Laura Palmer und ihr gegenüber Bob in Twin Peaks oder die Mephisto-ähnliche Person in Lost Highway: Ein genauerer Blick auf diese Figuren zeigt, dass sie einen tieferen, symbolischen Zweck erfüllen. Ähnlich funktioniert dies in Blue Velvet.

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„The candy-colored clown they call the Sandman.“ | (c) Alamode Film

Im Film von 1986 steht die perfekte Harmonie der amerikanischen Vorstadt den heruntergekommenen, gefährlichen und unbehaglichen Stadtvierteln der Kleinstadt Lumberton gegenüber. Eine klare Abgrenzung geschieht sowohl durch deutliche Hinweise im Dialog sowie einen drastischen Kontrast zwischen bunter Blumen-Lattenzaun-Welt und grauer Wohnblock-Tristesse. Durch die von Lynch gezeigten Verhaltensweisen der jeweiligen Einwohner kritisiert der Regisseur die amerikanischen Idealvorstellungen und persifliert die konservative Angst vor Fremdem und Ungewohntem, scheinbar Untergeordneten. So steht Laura Derns Figur, Sandy Williams, für die Unschuld, das Gute, sie bietet Protagonist Jeffrey jederzeit Zuflucht in der sicheren Vorstadt und strahlt unendliche Wärme aus. Ihr Umfeld ist klischeehaft und dennoch idealtypisch abgebildet: Ihr Freund spielt American-Football, ihr Vater ist Chef der örtlichen Polizei, ihr Haus ist groß und selbstverständlich in gesitteter Nachbarschaft gelegen. Konträr dazu verkörpert Dennis Hoppers Charakter Frank Booth das Unberechenbare, Gewalttätige und Wilde. Sein Verhalten wird als ungesittet, abartig und brutal gezeichnet: Drogenkonsum, Gewaltausübung, Randale sowie Gesetzeswidrigkeiten jeder Art sind die Eigenschaften die der Verkörperung des Nicht-Idealen entsprechen.

It’s a strange world.“

-Jeffrey Beaumont in Blue Velvet

Lynch nutzt diese in der Gesellschaft verankerte Dichotomie indem er den Protagonisten Jeffrey Beaumont zwischen diesen beiden Welten wandern lässt und ihn zu einer Person führt, welche nicht vollständig einzuordnen ist, Dorothy Vallens, sie lässt ihn an seinen Idealen zweifeln.

Die Beziehung zwischen Beaumont und Vallens bietet beiden Figuren Einblicke in ihnen fremde Welten, Welten, die sie nur teilweise betreten können. Vallens, durch Erpressung abhängig von der dunklen Seite der Stadt, blickt durch Jeffreys Figur in eine ihr unzugängliche Welt. Seine positiven Emotionen, seine Verlegenheit und seine fast infantile Hilfsbereitschaft stellen für sie ein Fenster in ein besseres Leben dar, welches sie aufgrund ihrer Verflechtungen mit Frank Booth nicht erreichen kann. Er nimmt für sie fast die Position ein, die für ihn Sandy Williams einnimmt.

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Williams, Vallens, Beaumont | (c) Alamode Film

Jeffreys Perspektive hingegen zeigt den Zugang zur Welt von Frank Booth in welche er in einigen Szenen tief hineingezogen wird. Seine Faszination dafür scheint aus der Neugierde und der Suche nach Neuem, Anderem, Interessanterem zu rühren. Als unfreiwilliger Voyeur bemerkt er seine steigende Faszination und Begierde für Vallens bzw. das Interessante, ehe er in einen Gewissenskonflikt aus falscher, gesellschaftlich vertretbarer Moral und menschlichem Verlangen gerät. Die letztendliche Loslösung von diesen Elementen und die Kontrolle über die Situation durch Akteure der Vorstadt, spiegelt so die Vorzüge und die Absicherungen der sozial gehobenen und gesellschaftlich idealen Bevölkerungsschicht wieder: Beide Figuren verbinden ihre Welten miteinander, jedoch ist es die privilegierte Seite, welche die Macht zur Änderung hat und über das Schicksal der sozial und ökonomisch untergeordneten entscheidet. Eine Begegnung auf Augenhöhe findet zwar auf emotionaler Ebene statt, auf sozialer Ebene jedoch zu keinem Zeitpunkt.

So ist es für Jeffrey Beaumont schlussendlich nur ein kurzer Ausflug in eine andere Welt, in ein Traum, der durch Symboliken, Aussagen und Verhaltensweisen der Figuren fast genau wie ein solcher wirkt. So sehr, dass im Nachhinein sogar an der Echtheit all dieser Geschehnisse gezweifelt werden kann. „Only in dreams…“


Titelbild: (c) Alamode Film

11 Gedanken zu “Blue Velvet: David Lynch’s seltsame Welt des Guten und Bösen

  1. Hallo, freut mich sehr für deinen Besuch zu meinem Blog.
    Der Eintrag ist leider für mein Deutsch Verständnis schwierig einmal genau zu verstehen, aber der Film sieht interessant aus.
    Es fällt mir ein, dass obwohl
    David Lynch berühmt ist, habe ich noch nie sein Werk sehen.
    Schönen Tag noch!

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